Arno 12 Jahre

 

Arno Bourggraff

Arno 18 Jahre

Unsere Hausnamen

Die Familiennamen sind begreiflicherweise nicht immer unverän­dert beibehalten worden; sie haben vielmehr, gleich den anderen Bestand­teilen der Sprache und zum Teil noch mehr als diese, eine mehr oder min­der grosse Veränderung erlitten. Die Vornamen und ebenso die Orts­namen haben nicht nur während des Mittelalters, ja noch während der letzten Jahrhunderte manche Umwandlung oder Abkürzung erlitten; diese treten natürlich auch in den Familiennamen zu Tage. So hiess Wecker noch im 17. — 18. Jahrhundert Weckeringen, Zittig Zittingen oder Zettingen, Rippig Repingen und Rippingen; die Familiennamen Wecke- ring, Zettinger und Rippinger haben die alten Formen beibehalten. Für Rodenborn hat sich immer mehr die verkehrte Form Rodenburg einge­schlichen, die heute in allgemeinem Gebrauch ist; dem entsprechend fin­den wir zwei Personen als Rodenborn, 40 als Rodenbour, aber nur 8 als Rodenburg. Teils der Einfluss des gesprochenen Idioms, der Volksspracheteils der Mangel an der richtigen Bildung von seiten derer, die berufen waren, die Namen niederzuschreiben, änderten die Form sämtlicher Namen, sowohl jener, die als Stammwort für unsere Familiennamen dien­ten, als diese selbst. War das Wort ein fremdes, so machte sich das Volk dasselbe mundgerecht. Der Taufname Servatius, der namentlich in den Ardennen früher sehr häufig war, wurde verkürzt in Fas, wurde aber auch Servas, Sirvas, Zirwes, bis er die jetzige Form Servais annahm, wiewohl wir daneben auch heute Servas, Zirwes und Zirves haben.

Im siebzehnten Jahrhundert erschien zuerst der Name Paquet, gebildet aus Paschasius, daher wegen der Ableitung, die Länge der ersten Silbe; die ersten Träger des Namens waren Wallonen, sie nannten sich Pasquay, daher die Länge der zweiten Silbe; aus dem ursprünglichen Pasquay bildet sich allmählich Pacquay, dann Pacqud und Paqud, heute, mit irrtümlich hinzugefügtem t, Pacquet und Paquet; nach französischer Aussprache müsste es heissen packd, das Volk spricht Pakd.

Neben Dauphin finden wir Daufing, Dauf­fing, Doffeng, Doffing und Dofing. Aus Toussaint wurde Toussin und Toussing, ja sogar Toussinger; aus Dupont Dupong; aus einem Vander­bekene wurde ein Wanderpick, aus einem van der Schey ein Wanderscheit. Aber auch die deutschen Namen wurden vielfach in ähnlicher Weise ent­stellt; aus der bei uns vielfach üblichen Form Huart, Huwart oder Heu­wert für Hugo bildeten sich nicht weniger als zwölf verschiedene Formen: Hayard, Heiard, Heier, Heiert, Heiertz, Heuard, Heuardt, Heuertz, Hevard, Heyardt und Heyart.

Aber, wie verschieden auch diese Namen geschrieben sein mögen, sie finden sich, auf eine und dieselbe Person oder jedenfalls auf Mitglieder einer Familie bezogen, nicht selten bunt und nebeneinander in demselben Aktenstücke. Wenn der Geistliche die Tauf-, Heirats- oder Begräbnisakten einschrieb, so kümmerte er sich wenig darum, wie der betreffende Name zu schreiben war; wenn der Notar einen Verkaufsakt aufstellte, so schrieb er den Namen so, wie er ihn aussprechen hörte, nicht selten in demselben Aktenstück auf zwei, drei verschiedene Weisen. Kann die betreffende Per­son unterschreiben, so tut sie dies nicht eben selten in einer Form, die von der der Urkunde völlig verschieden ist.

Das Starre, Unveränderliche unserer Familiennamen kann daher nur in seltenen Fällen gewahrt werden, umsomehr als die Träger derselben vielfach nicht im Stande waren, die Integrität des einmal gebildeten Namens aufrecht zu halten. Wir wissen ja, wie traurig es in früheren Zei­ten um die Schulbildung stand; wenn von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zum Schluss desselben in den meisten Ortschaften 50, sogar 80 und 99 Prozent der erwachsenen männlichen Bevölkerung nicht einmal ihren Namen schreiben konnten, dann ist einleuchtend, dass von strenger Bei­behaltung irgend einer Namensform nicht die Rede sein konnte, umso mehr als niemand Gewicht darauf legte. Noch im 18. Jahrhundert schrie­ben u. a. drei Brüder von Pforzheim, die in einem Aktenstück unterschrie­ben, Portzheim, Portzenheim, Pfortzenheimme.

Und auch noch im 19. Jahrhundert sehen wir Ähnliches. Herr Müller hat in seiner herangezogenen Arbeit einige treffliche Beispiele angegeben: zwei Brüder von Itzig, von denen der eine Rausch, der andere Rauchs unterschrieb; zwei Schwestern, die eine Neu, die andere Ney; zwei Vet­tern, der eine Lehnerts, der andere Lenertz. An meinem eigenen Namen, trotzdem derselbe von allen Mitgliedern der Familie in genau derselben Weise geschrieben wird, gibt Herr Müller unbewusst ein ähnliches Bei­spiel von Namenänderung; er gibt fünf verschiedene Formen, nur die allein richtige hat er nicht.

Es hat aber auch in einzelnen Fällen die Eitelkeit dazu beigetragen, die Namen umzugestalten. Beispiele aus neuerer Zeit will ich nicht anfüh­ren, nomina sunt odiosa, eines indessen aus längst vergangener Zeit. Es handelt sich um die ausgestorbene Familie Dhaem; der Name ist aus dem Vornamen Damian gebildet und einer der ersten Träger nennt sich sogar Damian; als aber die Familie mit der Zeit zu Reichtum und Ansehen gelangte, fügte man einen Apostroph hinzu, schrieb d'Haem und später de Haem.

Heute sind diese Änderungen natürlich viel seltener geworden, sie dauern aber trotzdem noch immer fort.

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